Was erwarten wir eigentlich von einem Champagner? Dass er unseren Gaumen belustigt oder verführt? Spritzigkeit oder Erfrischung? Schmeichelnde Vollmundigkeit, süße oder mineralische oder fruchtige Aromen...? Oder von Allem ein Bisschen?
Das könnte sein, aber es ist alles andere als einfach, diese Wünsche in jeder Champagnerflasche zu vereinen. Champagner ist nämlich kein universelles Getränk, das alle unsere Wünsche erfüllt, wann immer unser Gehirn von Bläschen und Schaum träumt. Je mehr Charakter ein Champagner hat, desto mehr wird er von unserer universalen Vorstellung abweichen und Position beziehen. Es ist daher angebracht, für jeden Champagner den richtigen Moment des Verkostens zu bestimmen, genau so, wie wir es bei « stillen » Weinen auch machen ...
Ich habe vor kurzem diese Flasche Champagner Paul Lebrun Grande Reserve geöffnet, die seit ein paar Monaten unbeachtet in meinem Keller lagerte. Es handelt sich um einen reinen Blanc de Blancs, im wesentlichen aus dem Jahrgang 2009 und aus verschiedenen Lagen der Côte des Blancs und des Sézannais hergestellt. Zwar trifft es zu, dass diese Weine den Grossteil ihrer Reifung in den Kellern von Lebrun lverbringen und vollkommen trinkreif sind, wenn sie die Keller verlassen, aber diese paar Monate zusätzlicher Ruhe nach dem Degorgieren scheinen dem Wein viel Gutes getan zu haben.
Feine Bläschen, reichlich und anhaltend, geben dem goldgelben Wein im Glas viel optische Leichtigkeit. Die erste Nase, mit ihren üppigen Aromen von Vanille, Haselnuss und frischer Hefe, öffnet sich schnell im Wein-Glas (nieder mit den für den freien Ausdruck des Weines meist viel zu engen Sektflöten!) und zeigt verführerische Aromen von weissem Pfeffer und Trockenblumen. Schmelzig und weich im Geschmack, mit frischer Säure und leichter Salzigkeit, spritziger Zitrone und delikatem Pfefferton im langen Abgang. Im leeren Glas zeigen sich frische Kräuter und saftiges Grass.
Also, was sollte man mit diesem Wein tun und welcher ist der richtige Moment ihn zu geniessen? Persönlich würde ich ihn zum Aperitif trinken. Gewiss, auf den ersten Blick eine eher einfache Antwort auf Schaumwein, aber lassen Sie mich erklären: Die Aromatik dieses Champagners zeigt eine gewisse Evolution und fortgeschrittene Reife. Sie bleibt aber sehr interessant und zeigt eine relativ große Vielseitigkeit. Schmelz und die Vollmündigkeit am Gaumen verlangen, dass dieser Wein alleine dasteht, zumal eine begleitende Speise zudem noch befürchten liesse, die delikaten Aromen im Abgang zu übertönen.