Spätestens wenn die Ernte vor der Tür steht, muss man sich die Frage stellen, wie die Trauben von den Reben geholt werden sollen. Während die Handlese allgemein als qualitativ hochwertig gilt, hat sich die Maschine nie wirklich vom Ruf eines unsensiblen „Vollernters“ losmachen können. Die Entscheidung für die eine oder die andere Art zu ernten, stützt sich jedoch auf eine Vielfalt von Faktoren: Technische, praktische, wirtschaftliche oder sogar philosophische. Hier einige Fakten und Anregungen.
Huldigung der Maschine
Die Maschine ist im Schnitt drei mal schneller, als die Handlese und daher auch weniger kostspielig. Außerdem kann sie Tag und Nacht zum Einsatz kommen.
Abgesehen vom zusätzlichen Zeitgewinn, bietet die Nacht-Lese kühle Temperaturen, was vor allem zum keltern von Weiß- und Rosé-Weinen von Vorteil sein kann. Und falls eine Wetterkatastrophe ansteht, kann Geschwindigkeit ein wichtiger Faktor sein, um die totale Erntekatastrophe zu verhindern. Man muss aber schon einiges investieren, um in den Besitz einer solchen Erntemaschine zu kommen. 150 bis 200 tausend Euro kostet der Spaß, der außerdem noch zusätzliche Arbeit zur Anpassung des Weinberges verlangt: Den richtigen Rebschnitt wählen und Spalierdrähte installieren, geschultes Personal für die Maschine einstellen, den besten Reifegrad abwarten, Fäulnis vermeiden (denn die Maschine nimmt alles mit)...
Hommage an die Hand
Die Handlese genießt nach wie vor ihren guten Ruf, eine „ehrliche“ und „gemütliche“ Arbeitsweise zu sein. Menschen von überall her kommen zusammen, arbeiten an der frischen Luft, teilen Speisen und Wein und haben bei alledem auch noch viel Spaß. Manuelles Ernten erhält ein jahrtausendealtes Handwerk aufrecht und trägt zudem auch noch zum sozialen Leben auf dem Lande bei.
Vom technischen Standpunkt her ermöglicht die Handlese ein gezieltes Aussortieren von faulen Trauben. Ein ganz wichtiger Punkt, denn die Qualität des Ernteguts spiegelt sich im allgemeinen im Wein wider. Und sollen ganze Trauben vergoren werden, wie etwa bei der im Beaujolais und im Mittelmeerraum weit verbreiteten Kohlesäuremaischung, ist eine maschinelle Ernte gar keine Option, da nur die Menschenhand in der Lage ist, ganze Trauben zu ernten.
Glücklich, wer keine Wahl?
Manchmal lassen die äußeren Umstände den WinzerInnen aber auch gar keine Wahl. Die Handlese kann vom Gesetz her vorgeschrieben sein, wie etwa bei der Herstellung von Champagner oder Crémant oder steile Lagen und widriges Terrain bieten der Maschine keine Möglichkeit zum Einsatz zu kommen. Und bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 2,84 Euro pro Liter Wein (in Deutschland) entscheidet manches Mal ganz einfach der Taschenrechner...